Drei Viertel der Schweizer durch Terror verunsichert

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von Pascal Michel – Durch die jüngsten Anschläge in Europa hat das Sicherheitsgefühl der Schweizer gelitten. Für mehr Sicherheit würden viele auch persönliche Freiheiten opfern.

Das Axt-Attentat von Würzburg, der Rucksack-Bomber von Ansbach oder der Priester-Mord von Rouen: Die jüngsten Bluttaten, der Putschversuch in der Türkei und die andauernde Flüchtlingskrise in Europa verunsichern die Schweizer Bevölkerung. In der 20-Minuten-Sicherheitsumfrage gaben 75 Prozent der Befragten an, ihr Sicherheitsgefühl habe seit diesen Ereignissen abgenommen (siehe Grafik). Trotzdem noch sicher fühlen sich insgesamt 55 Prozent.

«Der Terror ist in den letzten Monaten zu einem konstanten Hintergrundrauschen im Leben vieler geworden. Dass in kürzester Zeit jetzt in unseren Nachbarländern Anschläge verübt wurden, scheint auch vielen Schweizern massiv eingefahren zu sein», sagt Politologe Fabio Wasserfallen, der zusammen mit Lucas Leemann (siehe Box) die Umfrage durchgeführt hat. Eine Gewissheit, dass ein Terrorakt in der Schweiz unmöglich sei, scheine nicht mehr vorhanden zu sein. 39 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten das Gefühl, die Welt sei aus den Fugen geraten.

«Je näher die Bomben hochgehen, desto gefährdeter fühlen wir uns»

Für Tibor Szvircsev Tresch von der Militärakademie der ETH Zürich machte die Häufung der Anschläge innert kurzer Zeit den Terror für die hiesige Bevölkerung fassbar: «Je näher bei uns Bomben hochgehen, desto eher fühlen wir uns selbst gefährdet.» Das Gefühl der Machtlosigkeit werde noch verstärkt, weil es sich um spontane, nicht voraussehbare Attacken durch Einzeltäter gehandelt habe. «Es sind die unzähligen feinen Nadelstiche, welche die Angst befeuern, nicht die grossen Anschläge», sagt Szvircsev Tresch, der jedes Jahr eine Studie zum Sicherheitsempfinden der Schweizer herausgibt. «Hätte es in den letzten Monaten nur ein grosses Attentat gegeben, wäre das schnell in Vergessenheit geraten und die Leute hätten sich gesagt: Das Leben geht weiter.»

In ihrer Verunsicherung fühlen sich die Schweizer hilflos: 48 Prozent gaben an, dass der Bürger allein nichts gegen den Terror unternehmen könne und 58 Prozent sagten, dass sie nicht daran denken, in Zukunft Orte wie Flughäfen oder Fussballstadien zu meiden. Dies hängt für den Militärsoziologen Szvircsev Tresch mit Pragmatismus zusammen, weil man als rational denkender Mensch wisse, dass sich der Terror nie ganz verhindern lasse. Die Umfrage zeigt weiter: Geht es um Freunde oder Familie, tritt der Pragmatismus in den Hintergrund. 61 Prozent der Befragten geben an, sich um Angehörige und Freunde grössere Sorgen zu machen, als dies vor den jüngsten Anschlägen der Fall war.

64 Prozent wären gar bereit, ein Stück ihrer persönlichen Freiheit aufzugeben, wenn damit die eigene Sicherheit und jene der Familie erhöht würden. Als konkrete Massnahmen (siehe Grafik) finden eine verstärkte Überwachung, mehr Kompetenzen für den Nachrichtendienst und mehr Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit am meisten Zuspruch. Nur 11 Prozent fühlen sich von Polizei und Armee ausreichend geschützt (siehe Grafik).

Akzeptanz von Überwachung hat mit konservativem Zeitgeist zu tun

Bei 63 Prozent ist die Akzeptanz von Polizei und Armee seit den Terroranschlägen gestiegen. Laut ETH-Experte Szvircsev Tresch hängt die allgemein hohe Akzeptanz für einen starken Sicherheitsapparat mit dem herrschenden konservativen Zeitgeist zusammen. «Die Akzeptanz von Polizei, Armee und Überwachung ist die logische Folge der politischen Verschiebung nach rechts.» Jedoch gebe es Unterschiede bei der Art der akzeptierten Überwachung: «Während die allgemeine schrankenlose Überwachung immer noch kritisch gesehen wird, sind konkrete Massnahmen wie ein Monitoring radikaler Islamisten weitgehend akzeptiert.»

Auch Fabio Wasserfallen sagt: «Widerstände dagegen, den Sicherheitsapparat hochzufahren und Armee und Polizei zu verstärken, sind aktuell sehr gering.» Weil eine Mehrheit glaube, es gebe keine Möglichkeit, den Terror durch eigenes Handeln zu verhindern, sähen sie diese Aufgabe jetzt vermehrt beim Staat. «Das ist bemerkenswert, denn die Bevölkerung war etwa zu Zeiten der Fichenaffäre sehr skeptisch gegenüber der Überwachung oder äusserte sich an der Urne oft kritisch beispielsweise gegenüber der Armee.»

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